Deine geliebten Hunde und andere Tiere

Gedichtauswahl

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wir werden brav sein werden ruhige brave gute

und lustige hunde sein wir sind nicht nachtragend gegenüber denen

die uns anbrüllen uns vor die tür setzen

die uns tagelang hungrig herumlaufen lassen

wir hegen kein arg gegen den der uns

verachtet über uns lacht ach seht nur

wie einfältig diese hunde doch sind vielleicht sogar töricht

denn ich schlage sie und verhöhne sie auf das gemeinste und jage sie

in den regen und in den schnee hinaus und sie kommen dennoch zurück

kommen freudig angerannt wenn ich heraus trete

sie schauen mir in die augen wedeln mit ihren schwänzen

geben mir ihre pfoten hecheln als wollten sie lachen

und ob sie töricht sind wir werden uns all das anhören

und vergeben und nichts verübeln weil er nicht weiß

dass wir regen und schnee mögen und alle beschützen

die wir zu lieben gelernt haben selbst wenn man uns verletzt

selbst wenn man uns vergisst selbst wenn uns

die tränen aus den augen fließen auf vertraute schritte

und das quietschen der tür wenden wir den kopf fliegen

dem entgegen den wir lieben schütteln die schneewolken ab

bellen über den ganzen hof springen herum

ausgelassen weil wir lieben können brave und lautere hunde

 

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lauf nicht fort vor mir mein hund lass mich nicht zurück

du weißt gar nicht wie sehr ich mir wünsche

dass du hier wärst dass du bei mir wärst

lauf nicht fort von mir zum anderen ende der welt

und zum anderen ende des mondes lass mich nicht im wald zurück

gleich bricht das dunkel herein mein geliebter hund

geh nicht fort von mir dass ich nicht am ameisenhaufen

sitzen dass ich nicht zwischen den bäumen heulen

nicht deine spuren suchen muss wo du gestolpert bist

dass ich die anderen nicht fragen muss wieso du nicht mehr bist

sieht man den tod von ferne scheint

er so unwirklich aber wenn er näher kommt

schneidet er tief und schwer wie kantiges glas

durchschlägt die pfote wie der schuss eines jägers trifft

das herz mein geliebter hund ich lege meinen kopf

auf deinen Leib lege meine pfoten neben deine

schließe die augen und beweine dich still

zuerst schien dir er schliefe bloß

 

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dieser herbst ist gut ein schöner und guter löwe lebt jetzt

bei mir tagaus tagein streift er durch den wald abends kommt er

heim wir sitzen lange zusammen und reden bis es dunkel wird

er erzählt mir von den bergen die in den einsamen himmel

ragen von flüssen mit eisigem wasser von weichen wiesen

an ihren ufern und dann legt er sich schlafen unter den apfelbaum denn er

liebt den geruch der letzten antonivki und den ton

wenn nachts apfel um apfel ins gras fällt zuerst

liegt er lange mit dem kopf auf den pfoten und dann

schlägt er den schwanz über die nase dreht den kopf leicht zur seite und schläft

bis zum frühstück manchmal schläft er so fest dass ihn höchstens

der geruch nach kaffee und brötchen wecken kann weißt du er

ist wirklich ein sehr guter löwe morgen nach dem frühstück bauen wir ihm

zusammen ein kleines haus im garten zwischen meinen herrlichen

apfelbäumen und dann nimmt er mich auf den rücken und wir machen

einen langen und weiten ausflug vielleicht zu unser beider

wüste vielleicht zu den wasserfällen vielleicht an die tränke

zu der elefanten giraffen und nilpferde kommen nach der tour werden wir

auch etwas trinken ich und mein guter löwe

 

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du betratest seine höhle und als erstes sahst du

den körper stoßweise atmen wie manchmal im schlaf

und etwas trockenes laub an dem braunen fell

am rücken und an den tatzen kleben du weißt noch wie du dich dazu setztest

und lange der tiefen und gleichförmigen stille lauschtest und dich dann auch

auf den boden legtest deine wange an den bären-

rücken schmiegtest deine finger in das dichte weiche fell grubst den

bären zärtlich umarmtest ihn zärtlich streicheltest und plötzlich etwas

kaltes und nasses spürtest etwas wässriges du knietest

dich hin hobst den bärenkopf an und sahst

dass selbst die stärksten tiere manchmal

hilflos und bitterlich weinen er erzählte dir damals nichts gar

nichts erzählte er dir sagte nicht dass er schmerzen habe

dass er verletzt sei bat nur du mögest heute

nirgends hingehen und ihn sanft streicheln dann schwieg er

einfach dankbar legte dir den kopf in den schoß

schloss die augen und bärentränen tropften dir eine

um die andere auf die hand wie silberner herbstregen

 

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du siehst einen hund und ein mädchen sie gehen gemeinsam einen pfad entlang sie

führt ihn an der leine manchmal kommen sie vom weg ab oder müssen auch

unsichere stellen umgehen brechen für einen augenblick

im schnee ein und sie lacht laut und der hund bellt und wedelt fröhlich

mit dem schwanz und dann kehren sie zum weg zurück so einfach und glücklich

wie du und ich nie sein werden sie gehen so oft

in den wald das mädchen hakt die leine vom halsband

und sie rennen um die wette bis an den see das mädchen

und der hund freuen sich so wenn der schnee schmilzt und das erste moos

aus der erde wächst sie begrüßen das frische grüne gras huldigen den erdbeer-

blüten und bunten schmetterlingen beobachten die hummeln

in den blütenkelchen lieben die zeit wenn die kirsche trägt

und der jasmin blüht kamille und glockenblume zart duften

halten jeden sommeraugenblick fest danken für den heißen sand

unter den nackten sohlen und pfoten für diese herrliche riesen-

sonne für ihr alltägliches licht verfolgen genau wie es nach

der wärme allmählich herbst wird wie sich die farben der bäume wandeln

und das laub fällt das mädchen greift ganze hände voll wirft sie

hoch und es wirbelt so lange in der luft dass sie zum hund sagt

schau mal es will fliegen wie die Vögel ins Winterparadies was alles

vergeht was alles in der zeit entschwindet was das Gedächtnis alles

ins sich begräbt siehst du und wenn auch winter frühling sommer und herbst vergehen

treten doch mädchen und hund wieder zwischen den bäumen hervor und sie sagt etwas

zu ihm zärtlich und leise wie einst

 

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mein löwe ist sehr glücklich er weiß was auf der welt einfach ist

und was schwierig was falsch ist und was echt er schreitet

gemessen er hastet nie und rennt nur dann

wenn er auf wanderschaft geht oder wenn er mit dem wind tollt

oder wenn er ganz ganz froh ist mein löwe

erzählt mir viel über liebe und freude sie seien

sehr einfach und sanft und ein bisschen wie apfel-

blüten die ihre zeit und stunde haben und dann abfallen

den ganzen boden bedecken und die kinder sammeln handvoll um handvoll auf

werfen sie in die luft klatschen in die hände und lachen

wenn die blütenblätter wie ein zartrosa

warmweicher regen auf sie herabrieseln so sagt der löwe ist die echte liebe

und freude so gut sagt er können unsere wege sein

wie pfade im allerschönsten garten in dem aus jeder guten blüte

schließlich eine gute frucht wird der löwe sagt viele geheimnisse

berge die freude und viele freuden die liebe

 

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versprich mir dass der löwe da sein wird

wenn ich in dein paradies komme versprich dass er mich geduldig und freudig

erwartet und wenn ich gerade unter den

bäumen hervortrete er mich erblickt und sofort hochschnellt

auf mich zugesprungen kommt dass seine mähne

in alle richtungen flattert und sein fell in der sonne

glänzt versprich dass ich ihn umarmen kann

dass er mich ansprechen wird denn dein löwe muss doch

sprechen können und dass wir zusammen lange lange

in deinem herrlichen wald spazieren gehen und an meinen

sohlen und seinen ballen

gräser sand und herabgefallene nadeln kleben werden

versprich dass wir wenn wir müde werden uns zwischen die

blumen und das moos auf die schönsten wiesen

legen können ich werde mich an den löwen schmiegen

mich bei ihm lagern meinen kopf

neben seine weichen zarten pfoten legen und während ich schlafe

ich beinahe so ruhig und still so

sanft sein wie dein geliebter löwe

 

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manchmal wenn die welt schon viele stunden schläft

stelle ich mir vor dass regen einsetzt

stelle mir vor wie der regen in flüsse bäume häuser dringt

stelle mir vor wie der regen in die allerschönsten zottigen hunde  dringt

 

wie sie einer nach dem anderen um die wette zwischen den bäumen hindurch jagen

hingegeben an ihr endloses fröhliches hundespiel

stelle mir ihre spuren vor die sie im fauligen laub hinterlassen

stelle mir vor wie sie atmen wie sie die lungen voll luft gepumpt

fröhlich mit ihrer brust die nacht zerschneiden

 

stelle mir vor wie einer alles vergisst

einfach losrennt voranfliegt wie ein zielgerichteter pfeil

schneller als der wind davonjagt wie ein elch

als müsste alles was läuft elch sein

alles vergisst was hinten liegt den bogen und die seite

und den regen und die allerschönsten hunde und ihr fröhliches spiel

 

und wir ich und du halten den atem an reißen uns los

gleiten mit den pfoten über die feuchte erde

versuchen seinen flug zu wiederholen

 

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lange kenne ich die wichtigsten dinge mein hund sehr lange

schon seit ich mir die pfote gequetscht hatte und

humpelte du aber rennen konntest und ranntest und zurückkamst und mir

essen und manche neuigkeit brachtest erzähltest wessen spuren du den tag

über wo entdeckt hattest wo neue pfade entstanden waren und wer dort

entlang lief wie viele fische es im see gab und ob das wasser sauber war

so viel hast du mir erzählt hund mein vertrauter

sanft warst du und rücksichtsvoll und dann hast du mich so merkwürdig

angeschaut und gesagt du müsstest gehen du wolltest

abstand nicht reden schweigen

in der nähe sein hinter den benachbarten fichten und gleichzeitig

mein vertrauter so fern nicht mehr lange sagtest du und ich

wüsste warum und wohin du gelaufen seiest und nichts ganz und gar nichts

konnte ich dir antworten schwieg einfach schaute

auf deine spuren im regenfeuchten sand dachte dass

sie zu sehen sein würden bis die sonne hervorkäme schlief ein und im

schlafen träumte mir das paradies träumten mir gute und lichte

wege auf denen man nicht mehr ausweichen musste

auf denen alle die man liebte da waren und nichts trübte nichts

bekümmerte und dann träumte mir im weggehen sagtest du

ich müsste mich vor nichts fürchten müsste einfach nur

daran denken dass das noch nicht das paradies sei

 

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winters zieht der löwe in die küche sagt hier

ließe es sich besser schlafen als im schnee denn der schnee sei nicht zum schlafen

der schnee sei zum rennen zum schlittern

vom berg hinab  zum laufen auf der gefrorenen schneedecke ohne

einzubrechen schnee sagt der löwe sei für den spaß und die freude

gern sitzt er da und sieht zu wie ich frühstück mache

und erzählt mir dabei märchen von störchen

die zum überwintern in wärmere länder in ihr eden ziehen vom goldenen sand

von leoparden und rehen von kamelen und zebras von seinem

guten freund dem nilpferd das in einem großen wasser lebt

der löwe legt mir seinen kopf in den schoß und sagt würdest du

all diese tiere kennen würdest du sie sicher liebgewinnen würdest ihnen

vom schnee erzählen sie lehren sich unter den menschen

nicht zu fürchten würdest sagen man könne arglos jeden

umarmen der löwe wartet bis ich vom tisch aufstehe

die hoftür einen spalt öffne und sagt es taut er läuft

draußen alle bäume ab huldigt einem jeden sagt den kirschbäumen

der schnee täte ihnen gut und im frühling würden sie

wundervoll blühen der löwe hält an jedem baum inne

und sagt so schön so licht bist du diesen winter

 

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etwas an mir du mein hund hat sich sehr verändert vielleicht sogar alles weißt du

stimme gang und lauf die fellfarbe ist über den sommer verblichen

die nase ist taub und die augen sehen nicht mehr ganz so wie früher

und das schlimmste ist du mein hund dass ich manchmal nicht mehr weiß wo west ist wo ost ist

vergesse ich manchmal und dann fürchte ich schon fast wo und wie

das licht beginnt wie es durch die zweige

der höchsten bäume im wald bricht wie es sich in den schwanz der

übermütigen eichhörnchen flicht wie sich die grauen wölfe an stapel von stämmen gelehnt

mit ihm balgen wie sich die elche seiner erfreuen und wie es

die bären aus dem schlaf weckt mein guter und vertrauter hund du sieh mich an

leg mir pfote und ohr auf die brust hör ob mein herz

schlägt wie früher wie damals ob es noch weich und sanft ist

ob es noch gut und still ist lass uns mein hund heute nirgends

hingehen wir legen uns an den waldrand ins hohe und dürre gras

unter den bäumen schauen auf die erde und in den himmel einfach so

schweigen wir sind wir einfach wie herabgefallene nadeln

fein wie moos leicht wie licht

 

Aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe

Über das Buch

Der Band Deine geliebten Hunde und andere Tiere umfasst 50 Gedichte, in der uns die junge ukrainische Lyrikerin Bohdana Matijasch eine eigene Interaktionswelt von Menschen und Tieren vorstellt. Wie bereits aus dem Titel hervorgeht, sind die wichtigsten Lebewesen in Matijaschs Lyrikband – neben Löwen - Hunde. Matijaschs Gedichte beschreiben das grenzenlose Vertrauen von Hunden in ihre menschlichen Herren, ihre Freude in der Begegnung, aber auch ihre Verletzlichkeit und Ohnmacht. Die Gedichte zeigen dem Leser eine Lebenswelt, in der sich Menschen und Tiere begegnen, eine Gemeinschaft bilden, in der sich ihre Gewohnheiten, Verhaltensweisen und Reaktionen vermischen, ineinander übergehen, miteinander verschmelzen. Matijasch charakterisiert den gemeinsamen Raum sehr spärlich – Wiesen, ein Haus, Himmel, Wüste, Garten, ein Apfelbaum.  Durch diese sparsame räumliche Kontextualisierung konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf das Miteinander der Figuren – Menschen und Tiere agieren auf der gleichen Ebene, teilen Alltagserlebnisse, machen Beobachtungen: „dieser herbst ist gut ein schöner und guter löwe lebt jetzt bei mir tagaus tagein unternimmt er lange waldspaziergänge abends kommt er heim wir sitzen lange zusammen und reden bis es dunkel wird […]“ Indessen beschreibt Matijasch diese Welt nicht, sondern lässt sie durch Ansprache und Interaktion entstehen. Eine große poetische Kraft entfalten die Hundemonologe: „wir werden brav sein werden ruhige brave und gute und lustige hunde sein wir sind nicht nachtragend gegenüber denen die uns anbrüllen die uns vor die tür setzen die uns tagelang hungrig herumlaufen lassen wir hegen kein Arg gegen den der uns verachtet über uns lacht ach seht nur wie einfältig diese hunde doch sind vielleicht sogar töricht […]“ Der Tod eines Hundes wirkt wie ein Requiem und wird bei Matijasch als Übergang in eine andere Welt markiert. In diesem Übergang wird das lyrische Ich ebenfalls von einem Tier begleitet, einem Löwen, der den Weg in diese andere Welt bereits kennt. In den Gedichten spricht das lyrische Ich die Gefährten direkt an, diese direkte Ansprache traut den Tieren eine gleichwertige Beobachtungs- und Erfahrungswelt zu. Dennoch sind die Gedichte kein Abbild einer konkreten Mensch-Tier-Beziehung, da weder Tiere noch Menschen Namen haben, sondern nur mit „Mensch“, „Löwe“ oder „Hund“ bezeichnet werden, und auch keine episodischen Begebenheiten geschildert werden. In vielen Gedichten gibt es ein lyrisches Ich, das Hunde und Löwen gleichberechtigt in das eigene Leben einbezieht, die Gefährten auffordert, Dinge zu versprechen, nicht zu vergessen, sie nicht zu verlassen. Die fiktive Verwandlung, die Matijaschs Tiere erfahren, betrifft nur ihr Inneres, ihr Äußeres bleibt davon unberührt, so dass alle äußeren Attribute der Tiere in den Gedichten fortbestehen. Mit dieser  Gleichzeitigkeit von intimer Ansprache und Vertrautheit sowie Distanz und Verfremdung erschafft Bohdana Matijasch eine eigene Mensch-Tier-Welt von großer poetischer Kraft. Die Beobachtungen der Tiere und des lyrischen Ichs beziehen sich auf winzige, beinahe unsichtbare Bewegungen der Umwelt: das Fallen eines Blattes, der Flügelschlag eines Vogels. Diese wenigen, scheinbar lautlosen Dingen bewirken eine poetische Konzentration. Der Band ist konzeptionell in sich geschlossen, der Hund und das Mädchen durchziehen die Texte wie auf einer Reise, deren Ziel Vertrautheit und Begegnung sind. Diese ganz und gar eigene Beziehungswelt spiegelt sich auch in der sprachlichen Gestaltung der Gedichte wider. Matijasch verzichtet zwar auf Metrum und Reim, dennoch sind ihre Gedichte von einem klaren, sich auf wiederholende Betonungen stützenden Rhythmus geprägt. Diese gleichförmige Betonung bildet die eigentümliche Welt ab, in der es in erster Linie auf die Betrachtung der Beziehungen und nur in zweiter Linie auf sich abspielende Aktionen ankommt. Die feine und leise Welt wird sprachlich untermalt durch den ab und an wiederkehrenden Einsatz von Alliterationen und Homophonien, die den Klang der Gedichte unterstützen, ohne sie zu dominieren.