Zeitreisen durch die Gegenwart. Theatertexte aus der Ukraine
Egal
ob diese ukrainischen Theaterstücke vor oder nach dem 24. Februar 2022
entstanden sind: Der Krieg ist allgegenwärtig, aber nicht
allbeherrschend. So gibt der achte Drama-Panorama-Band Einblick
in eine vielfältige, lebendige ukrainische Dramatik und versammelt neun
zeitgenössische Theatertexte aus den Federn ukrainischer Autor*innen,
die im deutschsprachigen Theater bereits bekannt oder noch zu entdecken
sind. Die Anthologie Zeitreisen durch die Gegenwart gibt
entsprechend dazu Anlass, das hiesige Interesse an ukrainischer Dramatik
auch abseits des russischen Angriffskriegs zu festigen.
Während Andrii Bondarenko in Was man im Dunkeln hört (2022) den paranormalen Alltag im Luftschutzraum beschreibt, unternimmt Anastasiia Kosodiis Time Traveller’s Guide to Donbas (2018) eine surreale Zeitreise aus dem Jahr 2036 ins Jahr 2013, auf der Suche nach dem Ursprung des Krieges.
Quer durch die Zeiten geht es auch in Luda Tymoshenkos Stück Fünf Lieder aus Polesien (2021), das fünf bittere Episoden aus den Jahren 1940, 1959, 1973, 1997 und 2020 fernab der Metropolen schildert. Gorkis Mutter von
Lena Lagushonkova (2019) verfolgt aus Sicht der jungen Generation die
epochalen Umbrüche zwischen den 1960er Jahren in der Sowjetunion und
unserer Gegenwart. Die Ereignisse des Maidan und der Beginn des Krieges
2014 stehen im Zentrum von Tetiana Kytsenkos Die Frauen und der Scharfschütze (2014/15), während Maksym Kurochkin mit Drei Versuche den Alltag zu verbessern (2022) an das Leben eines Soldaten heranzoomt.
Sowohl Oksana Savchenkos Die Nacht verdeckt den Morgen (2022) als auch Natalka Vorozhbyts Green Corridors (2022/23)
nähern sich Erfahrungen der Flucht aus der Ukraine mal verzweifelt, mal
mit bitterer Ironie. Und auch fernab der Front hallt der Krieg in Olha
Matsiupas Stück Öko-Ballade (2015) nach, für das die Autorin 2017 den internationalen Autor*innenpreis des Heidelberger Stückemarkts erhielt.
Aus dem Ukrainischen übersetzt und mit einem einleitenden Essay von Lydia Nagel.
Neofelis Verlag 2024.