Der Geheimbund der Angsthasen und Lügner (Jugendbuch)
6. Kapitel: Ich armes Murmeltier …
Als ich auf den Platz kam, an dem das riesig hohe Bankgebäude stand, dämmerte es bereits. Es fing an zu nieseln und die Straßenlaternen leuchteten diesig in einem gelben, verschwommenen Licht. Ich schlich mich an den Wänden der Häuser neben der Bank entlang und versuchte, Käfer und Hase ausfindig zu machen. Vor dem Haupteingang der Bank war kein Mensch zu sehen.
Ich seufzte erleichtert und wollte schon zurück nach Hause, als aus einer kleinen Seitenstraße zwei Jungen einen komischen Wagen auf den Platz schoben. Sie hatten grelle Zirkuskostüme an und Narrenkappen mit Glöckchen auf dem Kopf. Auf dem Wagen stand ein großer Käfig und darin turnte in einem Rad … das Murmeltier.
Hase drehte die Kurbel von einem komischen Musikinstrument, das vor seiner Brust hing, und die durchdringenden Töne einer bekannten Melodie drangen zu mir herüber. Der Anblick war dermaßen idiotisch, dass ich lachen musste, aber in dem Moment stieß mich jemand in den Rücken.
Ich flog mitten auf den Platz, Käfer und Hase bemerkten mich und winkten mich zu sich rüber. Mir bleib nichts anderes übrig, als zu ihnen zu laufen.
„Wo ist die Geige?“, zischte Käfer böse, wobei er weiter mit den Glöckchen an seiner Kappe klimperte und im Takt der elenden Musik auf der Stelle trippelte.
„Reg dich wieder ab, ich habe Ersatz“, beruhigte Hase seinen Kumpel und deutete mit den Augen auf eine alte abgewetzte Kindergeige. Ich schüttelte den Kopf, aber Käfer sah mich so böse an, dass ich sofort die Minigeige und den Bogen, der daneben auf dem Wagen lag, nahm und Hase begleitete.
„Und jetzt sing“, befahl Käfer.
„Seid ihr völlig verrückt geworden? Wenn mich hier jemand sieht, der mich kennt?“, fragte ich empört.
Aber es war schon zu spät. Im Handumdrehen hatte mir Hase auch so eine idiotische Kappe aufgesetzt und einen schwarzen Umhang mit aufgenähten Sternen um die Schultern geworfen, und ich fing gehorsam wie ein dressierter Affe an, auf der Stelle zu tanzen und mit den Glöckchen an der Kappe zu klimpern.
„Aber singen werde ich auf gar keinen Fall!“, dachte ich noch, als ich schon meine zitternde Stimme hörte, die jammernd das Lied von dem unglückseligen Nagetier anstimmte.